Vorgeschichte ePoster am ÖGP-Kongress 2023
Zum ÖGP-Kongress 2023 in Graz durften wir auch einen ePoster abgeben. Ein PDF, das so wie die eingereichten Poster zum Kongress in der Aula auf 4 Bildschirmen zu sehen war. Ich habe den Anlass genutzt, um die Selbsthilfegruppe Sarkoidose und einige ihrer Aktivitäten der letzten Jahre hier in einer Langfassung aufzuzeigen.
Die Grafiken im PDF rechts funktionieren wirklich als Links, man kann und soll gerne draufklicken.
ePoster am ÖGP-Kongress 2023 - Langfassung
Mission: Die Welt und das Leben von Betroffenen verbessern
Die SHG Sarkoidose ist eine informelle Gruppe von Sarkoidose-Betroffenen.
Dem entsprechend sind die primären Teilhabe-Beweggründe natürlich die Widrigkeiten, die den Einzelnen mit dieser Erkrankung das Leben
oft und in vielen Situationen erschweren. Andererseits ist uns natürlich bewusst, dass sich die Welt nicht nur um uns dreht und dass wir
nur gemeinsam -
mit anderen Patientengruppen, mit medizinischem Personal und Organisationen, mit der Öffentlichkeit auch in Form von Politik -
an unserer individuellen Situation und der ganzen Welt etwas verbessern können.
Die SHG Sarkoidose hat es in einem Jahrzehnt ihres Bestehens bisher nicht geschafft, eine eigene Organisation zu gründen.
Vielleicht, weil es nicht notwendig war. Vielleicht aber auch, weil keine damit zu erwartenden Verbesserungen absehbar sind.
Beispiele dafür sind die Teilnahme an der Sarcoidosis Patient Priority Group der ELF und die Entsendung eines Patientenvertreters in das ERN Lung.
Nationale Tätigkeiten
Eigentlich lässt sich nicht vollständig trennen, ob national oder international - viele Tätigkeiten, Problemzonen und Kooperationen machen nicht
vor Landesgrenzen halt. Und vor Bundesländergrenzen schon gar nicht. Ebenso ist es mit dem Tätigkeitsbereich der SHG.
Man macht, was man kann, wozu sich die Gelegenheit bietet und was irgendwie Erfolg verspricht.
Oder etwas, was Einen auch nur eine wenig aus dem frustvollen Jammertal zwischen den Gipfeln von
"es muss etwas geschehen" und " da kann man halt nichts machen" holt.
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Auffangen neu Diagnostizierter
Die Fragen "Was hab ich, wie kann ich damit leben und wohin geh ich zur Behandlung" wird im Verhältnis zur vermuteten Anzahl von Sarkoidose-Betroffenen nur relativ selten persönlich gestellt, obwohl es die primären Fragen jedes Patienten sind - oder sein sollten. Allerdings ist bei denen, die sich an eine der Kontaktpersonen der SHG oder des Lungenfibroseforums wenden, die Not umso größer. - Treffen vor Ort und Online
Vor Corona waren zwei bis vier physische Treffen pro Region und pro Jahr die Regel.
Corona hat vieles geändert. Die physischen Treffen sind auch jetzt noch nicht zahlreich geworden - offenbar gibt es nur wenig Bedarf oder Bekanntheit - oder es gibt andere Proritäten.
Andererseits ermöglicht das periodische Videotreffen nun auch die Teilnahme von Betroffenen, welche die vor-Ort Treffen nicht oder nicht leicht erreichen konnten. - Verbreitung von Informationen rund um das Krankheitsbild (auch auf Youtube)
Informationserlangung rund um die Krankheit ist ein wichtiges Bedürfnis, das Betroffene löblicher Weise vor allem durch Beiträge aus dem Internet zu befriedigen versuchen. Entsprechend gibt es eine über die Jahre gewachsene Menge an Links auf den Informationsseiten sowie auch einige Videos im Youtube-Channel des Lungenfibroseforums (siehe auch Playlist Sarkoidose), welche uns von engagierten Experten zur Verfügung gestellt wurden.
Natürlich gibt es auch Hinweise zu Veranstaltungen (physisch oder online), die in der Regel per Newsletter verbreitet werden. Den Newsletter gibt es auch zum Nachlesen: Newsletter-Archiv. - Kooperation bei Forschung
Die Allermeisten, von einer seltenen Erkrankung Betroffenen, würden gerne mit am Puls der Forschung sein. Einerseits für das Gefühl, der eigenen Erkrankung nicht ganz hoffnungslos ausgeliefert zu sein und einen Hoffnungsschimmer irgendwie mit aktiver Zuarbeit ausmachen zu können. Andererseits aber auch, um möglichst frühzeitig von Forschungsergebnissen profitieren zu können. Und natürlich auch wegen der erhöhten Qualität der Versorgung, die sich automatisch rund um eine Forschungsgruppe ergibt.
Eine - und leider auch die bisher einzige - Forschungskooperation wurde mit der Dermatologie des Wiener AKH bei Georg Stary mit der mTOR-Studie durchgeführt.
Teil 1, die molekularen Studienergebnisse, wurde bereits publiziert (Single-cell and spatial transcriptomics ...) und wir warten sehnsüchtig auf den zweiten Teil und auf den darauf folgenden Abschlussvortrag.
Einen Scheinwerfer am Horizont stellt die Forschung der Gruppe um Thomas Weichhart - auf deren Forschung obige Studie beruht - dar, mit den vielleicht wichtigsten Ergebnissen zur Sarkoidoseforschung dieses Jahrzehnts oder Jahrhunderts oder Jahrtausends. - Kooperation mit anderen Gruppen und Dachorganisationen
Gemeinsam ist man weniger einsam. Und gemeinsam erreicht man mehr.
Die Aktiven von "Seltenen" Patientengruppen sind oft Einzelkämpfer oder "Familienunternehmen" und leben in der Regel vor, wie man gruppenübergreifend gemeinsam nicht nur beständige Motivation aufrecht erhalten kann, sondern auch durch Aufgabenteilung und Solidarität mehr für alle erreicht.
ProRare, die österreichische Dachorganisation für Gruppen von seltenen Erkrankungen, ist dabei Dreh- und Angelpunkt für koordinierte Tätigkeiten. - Unterstützung nationaler Initiativen für SE
Der Nationale Aktionsplan NAP.se war die vielversprechendste Initiative dieses Jahrtausends, um das Leben aller von seltenen Erkrankungen Betroffenen zu verbessern, auch wenn die Integration der europäischen Referenznetzwerke ins österreichische Gesundheitssystem aktuell noch etwas Platz nach oben lässt.
Durch die Unterstützung des News-letter Expertisenetze versuchen wir, unseren Beitrag zur Weiterentwicklung des österreichischen Gesundheitssystems einzubringen.
Internationale Tätigkeiten
Informelle Zusammenarbeit zwischen Sarkoidosegruppen aus unterschiedlichen Staaten gibt es schon lange. Besonders wir kleine und nicht überragend gut etablierte Gruppe in Österreich konnten vom Informationsmaterial des Deutschen Sarkoidose-Netzwerks gut profitieren, um ein wenig einschlägiges Verteilmaterial zu haben und um auf unseren Ausstellungsständen nicht ganz blank dazustehen.
Von den englischsprachigen Freunden profitieren wir vor allem von deren Onlineaktivtäten zur Wissensvermittlung.
Die jährlichen Kongresse von
FSR,
deren Vorträge auf
Youtube
nachgesehen werden können, waren und sind ein großes Vorbild für
ein niederschwelliges Weiterbildungsangebot für Betroffene und Mediziner, sofern Englisch keine Hürde ist.
Sarcoidosis UK
- die britische Charity für Sarkoidose - erstellt seit Jahren Transkripte ihrer großartigen
Patiententage,
wodurch wir auch Links zu
deutschsprachigen Textversionen
durch online-Übersetzung der Transkripte anbieten können.
Das Ereignis, das aus den eher sporadischen Beziehungen zwischen Patientenvertretungen eine internationale Gruppe gemacht hat,
war die Leitlinienentwicklungen von ATS und ERS zu Sarkoidose.
Seit etlichen Jahren ist die Beteiligung der betreffenden Patientenorganisation bei der Erstellung von Leitlinien nicht nur
eine mögliche Option, es ist mittlerweile vielmehr ein notwendiges Element für anerkannt gute Praxis. Dem entsprechend wurde mit
Beginn der Sarkoidose-Leitlinienentwicklungen Ende 2015 von ELF eine über die EU hinausgehende Gruppe von Patientenvertretern zusammengebracht
und unter dem Titel
Sarcoidosis Patient Priority Group auch per Webauftritt vertreten.
Arbeitsgruppen in unterschiedlichen nationalen Zusammensetzungen produzierten Texte zu mehreren Themen:
- Begleitung der Leitlinienentwicklung durch Patient Priorities Group bei ELF
Die inhaltliche Zuarbeit zur Leitlinie umfasste im wesentlichen zwei Schwerpunkte: die initiale Sammlung von offenen Bedürfnissen und nachfolgend eine europaweite Umfrage zu Patientenprioritäten (in denen sich natürlich die unmet needs ebenfalls widerspiegeln). Die Ergebnisse der Umfrage wurden unter anderem für eine Publikation im ERJ Open (Sarcoidosis: patient treatment priorities, 2018), für einen Poster beim ERS Kongress in Paris 2018 (Poster Patient Treatment Priorities) und für zahlreiche Vortragsbeiträge verwendet.
Letztendlich wurden zwei Leitlinien (ATS und ERS) und ein klinisches Statement (BTS)
publiziert - siehe Leitlinien.
- Gemeinsame Aktivitäten mit Medizinern der WASOG
Eindrucksvoll war die Einladung der Patientenvertreter durch die Serbische Pneumologische Gesellschaft zum dreitägigen Kongress der WASOG-Familie Management of sarcoidosis and interstitial lung diseases im April 2019 - ich habe unter Sarkoidose-Kongress in Belgrad davon berichtet. - Etablierung des Kernnetzwerks Sarkoidose im ERN Lung
Sarkoidose-Vertreter waren im ERN Lung zwar zahlreich, fristeten im Kernnetzwerk ILD mit ihrer Agenda über viele Jahre aber nur ein Mauerblümchen-Dasein. Die Erstellung eines Patient Journeys war lange Zeit das einzige, herzeigbare Arbeitsergebnis.
Sarkoidose ist zwar keine richtig seltene, aber ganz sicher eine vernachlässigte und verwaiste Erkrankung. Umso erbaulicher war 2023 die Etablierung eines eigenen Core Network Sarcoidosis im ERN Lung, bei dem als mein persönliches Highlight auch eine Kinderklinik von Anfang mit dabei war.
Die aktuellen Mitglieder sind bei den ERN-Lung - Healthcare Providers enstprechend ausgezeichnet. - Weitere Publikationen mit ELF und ERN Lung
Patientenfassung der ERS-Leitlinie (Laienversion, 2022):
Video zur Präsentation der ERS-Sarkoidose-Leitlinie, mit konsolidiertem FAQ-Dokument (2023):
Die Patientencharta beschreibt aufbauend auf die erschienenen Leitlinien von ATS und ERS die Erwartungen von Patienten - in die Betreuung, die ihre Wahrnehmung bis hin zu Gesetzgebung und Vergütungsregeln (2022):
Sarkoidose Factsheet - Sarkoidose-Grundbegriffe für frische Patienten (2020):
Was Frauen, Männer und Kinder wollen
Die Antwort auf diese Frage ist letztendlich einfach formuliert: Ein gutes Leben haben und wissen, wo man zur Diagnose und zur Therapie hingeht.
Die open needs oder patient priorities wurden oben schon breit dargelegt. Die Frage ist nur,
wie die einzelnen Bedürfnisse in der jeweiligen nationalen Umgebung abgehandelt werden können.
Es geht dabei direkt um die Lebenswelt von Betroffenen, darum im folgenden auch einige Patientenstimmen in kursiv.
- Gute, multidisziplinäre Versorgung – nicht nur Therapie von LuFu oder Röntgenbild
Sarkoidose ist eine systemische Erkrankung, Sarkoidosebetreuung ist ein Teamsport. "Man kann nicht als Einzelner Spezialist für Sarkoidose sein - man braucht all die Freunde von den anderen Fächern rundherum." sagte Elliot Crouser beim Meet the Experts der ATS 2017. Dem ist nur eines hinzuzufügen: eine Patientencharta - siehe oben.Wünschenswert wäre, dass der Lungenfacharzt endlich versteht, dass Sarkoidose eine systemische Erkrankung ist und sich nicht auf den Befall der Lunge und evtuell der umliegenden Lymphknoten beschränkt. - Sichtbare Versorgungspfade
Gezeichnete Versorgungspfade beginnen meist bei einem unklaren Problem und gehen über eine Diagnose (oder auch keiner) zu einer an die Diagnose und die Bedürfnisse des Betroffenen angepassten Versorgung. Die Frage ist nur, wie ein "bester Pfad" im heimischen Gesundheitssystem für alle sichtbar gemacht werden kann.Systemische Erkrankung muss für den Patienten bedeuten, dass er auch vor Ort oder zumindest in der Umgebung des Wohnortes systemisch untersucht werden kann. Z.B. wenn der Verdacht auch auf Augenbefall besteht, muss ich auch vor Ort einen Sarkoidose-fachkundigen Augenarzt an der Hand haben.
Es braucht also mehr Sarkoidosezentren oder Sarkoidoseambulanzen!!!
Und diese müssen erreichbar und für jedermann zugänglich sein- also öffentlich von der Krankenkasse finanziert und nicht nur von Wahlärzten geführt sein! - Niederschwelliger Zugang bei Problemen
Nicht immer benötigt es zur Beantwortung einer Patientenfrage einen hochspezialisierten Experten. Aber wen soll man denn bei krankheitsbezogenen Problemen, welche die Erfahrung oder das Zeitbudget des Hausarztes übersteigen, um Rat fragen?
Diese Frage braucht eine Lösung für unterschiedliche Erkrankungen - erkrankungsspezifische Nurses wären ein Lösungsversuch, aber auch jede andere Verbesserung ist willkommen. - Einbindung des Hausarztes in die Betreuung
Auch ein Sarkoidose-Patient ist ein Mensch wie viele andere auch mit den gleichen alltäglichen Volkskrankheiten, mit denen er beim Hausarzt gut aufgehoben ist. Da die Sarkoidose andererseits aber nahezu jedes Symptom verursachen kann, muss der Hausarzt wissen, an wen er sich um eine krankheitsspezifische Expertenmeinung wenden kann. Das gibt nicht nur ihm und seinem Patienten Sicherheit, die Rückmeldung des Experten hilft auch, zukünftige Fragestellungen besser einschätzen zu können und die weitere Betreuung seines Patienten noch besser durchführen zu können. - Teilnahme an Forschung und Registern
Forschung ist cool. Forschung ist nicht nur interessant, Forschung gibt Patienten auch Hoffnung, selbst wenn es noch keine heilenden Medikamente gibt. Und Forschung fördert in der Regel auch die Qualität der Patientenversorgung, weil durch das Messen der Versorgungsqualität erst richtige Qualität entsteht.
Register sind ein Werkzeug zur Qualitätserfassung, zum Vergleich und zur Steigerung der Versorgungsqualität. Sie sind eine wichtige Zutat für Forschung und sie sind für medizinische Studien unverzichtbar.
Mündige Patienten wollen Forschung und Register. - Weiterbildung im Krankheitsbild
Je komplexer das augenscheinliche oder mögliche Erkrankungsbild, desto größer ist auch der ärztliche Aufwand für Aufklärung und Therapiegespräch. Man sagt so oft, nur ein gebildeter Patient wäre ein guter Patient und spare Zeit in der täglichen Praxis. Während sich gute Ärzte über gut informierte Patienten freuen, ist die Freude bei Anderen mitunter nicht groß:Zumeist sind die Ärzte regelrecht beleidigt, wenn man schon etwas über die eigene Erkrankung weiß oder vielleicht sogar ein bisschen mehr weiß und am neueren Stand ist. Und anstatt zusammenzuarbeiten und darüber froh zu sein, dass der Patient schon vorinformiert ist, ist fast kein Behandlungsgespräch mehr möglich. - Gemeinsame Entscheidungen zur Therapie
Therapieziel und der Weg dahin müssen stets eine Gemeinschaftsentscheidung von Arzt und Patient sein. Oft ist diese individuelle Diskussion aber zu zeitaufwändig für den normalen Alltag und jede in gemeinschaftliche Patientenfortbildung investierte Minute rentiert sich vielfach. - Faire Behandlung bei Gutachten / in Sozialgerichtsangelegenheiten
Wie bei vielen anderen nichttrivialen Erkrankungsbildern auch, sind alle Einschränkungen eines Betroffenen nicht immer offensichtlich und auf den ersten Blick erkennbar. Anerkannten Spezialisten, die mit dem jeweiligen Erkrankungsbild vertraut sind, sollte in der Beurteilung ihrer Patienten mehr Kompetenz zugeschrieben werden.
Was Patientenvertreter wollen
Das ist das Kapitel, welches am einfachsten abzuhandeln ist.
- Kooperation, Transparenz – und Unterstützung
Wir wollen Kooperationen. Kooperationen bei der Forschung, bei der Versorgung und manchmal auch mit der Patientenvertretung, weil man durch Kooperationen mehr schneller erreichen und bewegen kann.
Wir wollen Transparenz. Weil Transparenz ist die Basis, um miteinander reden, einander zu vertrauen und miteinander arbeiten zu können. Transparenz heißt auch, verlässliche Zahlen zu kennen und zu teilen. Andernfalls bleibt jede Diskussion ein Meinungsaustausch.
Und wir wollen und brauchen Unterstützung, um mehr zu erreichen. Für Patienten, ihre Betreuer, Forscher - und die ganze Welt. - Empfohlene Beteiligung an Patientengruppe als Teil der Therapie
Ist so wie die Beteiligung der Patientenvertretung bei der Leitlinienentwicklung - eigentlich schon längst state of the art. Zum Thema diesem gibt es hier eine eigene Seite: Connecting Rare Patients. - Nicht mehr benötigt werden
Nicht mehr benötigt werden, weil sich die Sarkoidose-Probleme in Wohlgefallen aufgelöst haben, das wäre das Ziel.
Und vielleicht gibt es ja auch ein Leben nach Sarkoidose und Patientenvertretung, wer weiß?
Weitere Links:
Patient Journey Vorarbeit: Stichwortsammlung (2020-01-26)
Catharina C. Moor et al: Quality of life in sarcoidosis (2023-10-08)