Anläßlich des deutschen Lungentages 2011 besuchte ich die vom DSV organisierte Patientenakademie in Berlin und hab im sarkoidose-forum darüber geschrieben. Nach einiger Zeit verfasste ich auch eine Nachbesprechung dazu. Beide Text sind im Folgenden mit minimalen Korrekturen repliziert, italic sind neu von mir eingefügte Kommentare.


Sarkoidose - Patientenakademie


Am 17. September 2011 fand im Rahmen des Deutschen Lungentags im HELIOS Klinikum (Lungenklinikum Heckeshorn) ein vom DSV veranstaltetes interdisziplinäres Seminar zum Thema Sarkoidose statt - ich möchte hier kurz davon berichten. Recht gute, öffentliche Textzusammenstellungen zum Thema Sarkoidose können bei der Schweizerischen Sarkoidose-Vereinigung unter 'Arztvorträge' gefunden werden (sarkoidose.ch), darum gebe ich im Folgenden nur meine persönlich gewichteten Notizen der Vorträge wieder (die echt gute Sammlung von Vorträgen ist leider großteils der Umgestaltung der Schweizer Seite zum Opfer gefallen).

Teil I

Dr. Nicolas Schönfeld (Pneumologie) gibt einen aktuellen, einführenden Überblick zu Diagnose und Symptomen.

Nase

Rhinosinusitis überraschend häufig - Symptome: Krustenbildung, Schwellung, Bluten, Mißempfinden. (Artikel aus Am J Med 2010, Sarcoid Rhinositis).

Herz

Minimalbefall häufiger als bisher angenommen(?), im MRT sichtbar, öfter nachgeschaut wahrscheinlich aufgrund häufigerer Befragung nach 'Stolperern'.

Neuro

Vielgestaltig, darum häufig nicht erkannt. Oft auch kein Granulomnachweis.
Häufigste Symptome: Kopfschmerz, Sehstörungen, Gangstörungen, Erbrechen (Studie aus 2009).

Allgemeiner Funktionstest

6 Minuten Gehtest (siehe Beschreibung durch Jo@chim), auch für Bewertung der Lebensqualität

Abgeschlagenheit

Häufigstes Symptom bei der Sarkoidose (Feldstudie aus 2011 in Gen Hosp Psychiatry: 70%), aber nicht unbedingt in medizinischen Meßwerten abgebildet. Ev. relevant bei Kurantrag. Abgrenzung zur Depression per Fragebogen (?).

Wann behandeln?

(Artikel aus Rev Med Interne 2011)

Behandlung

(Standard = Prednisolon in Tablettenform)


Teil II

Dr. Michael Marker (Pädiatr. Pneumologie) spricht über Gemeinsamkeiten von Asthma und Sarkoidose:


Teil III

Dr. Alexander Gerber (Rheumatologie) spricht über Sarkoidose aus der Sicht des Rheumatologen.


Teil IV

Dr. Wim Ammenwerth referiert über die Wichtigkeit der frühzeitigen Mobilisierung schon beim klinischen Aufenthalt.

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Was habe ich aus dem Seminar gelernt?

  1. Wissen über Sarkoidose ist im Fluß und Nischenwissen. Drei Vortragende - drei sehr unterschiedliche Tabellen über Organbeteiligungen (Insider können klaro sofort Autor und Erstellungsjahr erkennen). Selbst die Aussagen innerhalb eines Referats ('häufiger als vermutet') passen eher nicht mit der gezeigten Beteiligungsstatistik überein - heißt wohl nichts anderes als dass die aktuellen Erfahrungen manchmal die eigenen Folien überholen.
  2. Wir haben viel über die (Erst-)Diagnose der Sarkoidose gehört, aber nur wenig über mich besonders interssierende therapiebegleitende Verlaufskontrolle (spiegelt die Literatur wieder ?)
    (Die für mich beste Zusammenfassung einer Verlaufskontrolle scheint mir nach wie vor DocUs Bericht eines Vortrages von Dr. Schweisfurt aus 2008 ).
  3. Ich hab viel Begriffliches gelernt. Speziell der Vortrag von Dr. Gerber war in jeder Hinsicht anschaulich.
  4. Es sind auch in Deutschland einige Untersuchungen und Studien zu Sarkoidose im Gange, etliche davon mit Unterstützung des DSV. Von allen Vortragenden wurden auch respektabel viele Arbeiten aus den letzen beiden Jahren zitiert.
  5. Österreich ist für mich ein weißer Fleck auf der Sarkoidose-Landkarte.
  6. Nicht einmal die Vorgangsweisen bei der Kortison-Anfangsdosierung scheinen mir homogen. Während ich überzeugt bin bisher immer gelesen zu haben, dass man bei jedem Schub eine höher Initialdosis braucht, geht's offenbar laut Dr. Schönfeld auch anders - was mir die Wahl einer passenden Initialdosis noch vager erscheinen läßt.
  7. Mir ist das demografische Problem der Sarkoidosebetroffenen am Beispiel der Seminarbesucher im Hinblick auf Selbsthilfe und Interessensvertretung wieder mal veranschaulicht geworden.
  8. Ohne DSV wäre ich nicht am Seminar gewesen (das es dann gar nicht gegeben hätte) und hätte auch vorher praktisch nichts über Sarkoidose gewußt.
  9. Ohne das sarkoidose-forum würde ich diese Zeilen nicht schreiben.


Was habe ich aus Berlin mitgenommen ?

Daran kaue ich noch.



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Was ich mir noch aus Berlin mitgenommen habe

(Nachbesprechung, 23.11.2011)

Ich hab noch einen längeren Nachsatz zu meinem Besuch beim Sarkoidoseseminar in der Helios-Klinik.
Aber wie formulier ich, dass ich bin mit der Gesamtsituation unzufrieden bin?

Meine Lage

Oder: Was habe ich aus Berlin mitgenommen ?
Genug gekaut. Das ist ein follow up von (siehe oben)

Um es mit dem Schuh des Manitu auszudrücken: Ich bin mit der Gesamtsituation unzufrieden. Seit dem Sarkoidose-Seminar im September versuch mir ein wenig klarer zu werden, was ich eigentlich will.

Irgendwie hatte ich in der letzten Zeit mit dem Gedanken gespielt, am komatösen Sarkoidose-Verein in Österreich einen Reanimierversuch zu starten. Nach meiner jährlichen Inspektion bei diversen Doktores in den letzten Wochen bin ich allerdings doppelt ernüchtert. Einerseits, weil sich der Eindruck gefestigt hat, dass sich in 'meinem' Spital die Kompetenz bzgl. Sarkoidose auf einem Niveau nahe dem angekündigten 'Nachschlagen bis zum nächsten Jahr' befindet. Und andererseits ernüchtert mich die Erkenntniss, dass ich jetzt - nach neun Jahren Sarkoidose-Beschwerden - keine große Hilfe für einen 'Neuling' parat hätte.

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Woher hab ich denn mein bisheriges Pseudowissen über Sarkoidose?
Zum allergrößten Teil aus dem Repertoire des DSV - sowohl aus den Vortragsberichten in den neueren Zeitschriften als auch aus dem Forum (und dort vor allem aus Beiträgen von mieser-Strolch, Straydog, ChaosChemiker, DocU und DieErdeIstEineScheibe - SaveEarth hab ich praktisch nicht mehr erlebt).
Die Artikel der Schweizer Kollegen befinde ich als sehr gut (weil der Vortrag selber und nicht eine Zusammenfassung des Vortrags im Web ist), wo hingegen die meisten anderen umherschwirrenden 'Infos' über Sarkoidose gerade nur zur Erhöhung der Medienpräsenz geeignet sind.
An echte spezialisierte Fachartikel komm' ich nur schwer und wenn, dann sind sie für mich schwer zu interpretieren (eben weil sie nur eine bestimmte Facette des Problems behandeln und ich kein so umfangreiches Wissen hab, um die präsentierten Erkenntnisse richtig würdigen zu können).

Kurzum: es tut sich nur wenig für mich Sichtbares zu dem Thema, das mich wahrscheinlich noch etliche Zeit begleiten wird.

Andererseits: kleine Funken von Selbsthilfe flammen ja doch manchmal auf - zum Beispiel dieses Forum. Für über den Austausch der Tagesbefindlichkeit hinausgehende Informationen fehlt uns aber im Wesentlichen die Kompetenz in Form von einschlägig vorbelasteten und kommunikationsfreudigen Teilnehmern (entsprechend sinkt bestimmt auch die Besuchshäufigkeit der 08/15-User hier im Forum nach einigen Wochen/Monaten weil es einfach nichts relevant 'Neues' gibt).

Ich weiß nicht, wie es in unseren Selbsthilfegruppen in der Steiermark, in Kärnten und in Tirol zugeht. Wenn ich nach der Frequenz der Treffen raten müßte, dann aber auch eher mau - aber immerhin, es gibt sie.

Umso mehr beeindruckt mich, was der DSV in der Nachbarschaft bis vor kurzem geleistet hat. Das über ein Jahrzehnt (Schätzung) betriebene Forum war für mich der Einstieg und das Wissenszentrum schlechthin, ist dabei aber nur ein Goodie am Rande. Vielmehr schätze ich mittlerweile die Lobby-Aktivität des DSV rund um die Sarkoidose. Natürlich muß man die suchen, weil auf der ersten Seite der Bild steht sie nicht.

Und ich frage mich täglich: was kann ich tun, um die Situation der Sarkoidosebetroffenen (und damit klaro auch die Meinige) zu verbessern?

  1. Wie auch auf der DSV-Seite zu lesen ist, ist nach wie vor ein großer Bedarf an Informationsquellen für frisch Diagnostizierte vorhanden.
    Da bin ich mittlerweile schon drüber.
    Oder vielleicht auch nicht? Manchmal komm ich mir einfach allein vor - mit einer Krankheit, von der ich in Details bestimmt mehr weiß als der mich gerade behandelnde Arzt. Und das ist auch das Problem: Ich hab immer noch keinen Satz von Doktores gefunden, in deren Hände in einen Frischen empfehlen würde.
  2. Lobbying in der Ärzteschaft finde ich absolut notwendig. Ärzte sind auch nur Menschen. Und es bedarf schon einiges an positiver Motivation, sich über Sarkoidose fortzubilden und darüber hinaus auch noch interdisziplinäre Kontakte zu knüpfen und letztere auch zu leben. Speziell bei mir im Osten ist auch die Patientenanzahl pro Klinik und damit der ärztliche Erfahrungsschatz eher niedrig.
  3. Lobbying bei Kassen ist natürlich auch ein Thema, das nicht übersehen werden darf.
  4. Public Awareness ist ebenso ein wichtiger Punkt in der Vertretung unserer Interessen. Vielleicht sogar der wichtigste, weil damit auf einen Schlag auch alle direkt Involvierten (Ärzte, Kassen, Mitbetroffene, deren Angehörige, ...) erreicht werden können.
Zu welchem der obigen Punkte hab ich bisher etwas Sinnvolles beigetragen?
Zerknirscht muß ich mir eingestehen: eigentlich zu keinem.

Gegen ein direktes Engagement bei den existierenden österreichischen Selbsthilfegruppen spricht fürs Erste eigentlich nur die Entfernung.
Der DSV ist noch weiter weg.
Gegen den Rest spricht die Einsamkeit und die Müdigkeit.
Aber ich bin nicht zufrieden damit und möchte mehr.


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(Repliziert am 10. März 2014)