Vitamin D und Sarkoidose
Einleitung
Vitamin D wurde lange Zeit nur mit Calciumhaushalt und Knochengesundheit in Verbindung gebracht - mittlerweile weiß man aber mehr.
Unter dem Begriff Vitamin D werden mehrere Cholesterolderivate zusammengefasst, die nur salop geschichtlich als Vitamin D bezeichnet werden.
Der wichtigste, physiologisch aktive Anteil ist das Calcitriol (1,25-Dihydroxy-Cholecalciferol),
auch D-Hormon genannt (Hormon im Gegensatz zu Vitamin weil es vollständig im Körper hergestellt werden kann).
Als Vorstufe dazu ist das 25-Hydroxy-Cholecalciferol als umgangssprachliches "Vitamin D" in aller Munde.
(Anm.: Letzteres ist zwar physiologisch weit weniger aktiv wie Calcitriol, aber in einer rund 1000-fachen Menge im Blut enthalten, weswegen
mittlerweile auch dem 25-OH-Vitamin-D3 fallweise eine effektive physiologische Wirkung zugeordnet wird.)
Neuer sind die Einsichten zu Wirkungen, die Calcitriol neben seinem Einfluß auf den Calciumhaushalt entfaltet.
Dabei geht es nicht nur um "einfache" Immunfunktionen (Calcitriol ist ein Steroidhormon),
sondern es dreht sich auch um verminderte Insulinresektion und Glukoseintoleranz.
Letztendlich gibt es schon seit vielen Jahren einen breiten Schatz an medizinischen Studien, die eine forcierte Vitamin D-Versorgung
in der kalten Jahreszeit auch bei "Gesunden" angebracht erscheinen lassen.
Eine umfangreiche und sehr gut verständliche Beschreibung kann in
Neue Erkenntnisse zu Vitamin D und Vitamin B12
zur der Serie "Ernährung heute" aus der Deutschen Apothekerzeitung 2005 gefunden werden.
Speziell die Tabelle mit Vitamin D - Mangel assoziierter Erkrankungen ist beachtenswert.
Darüber hinaus sind überhaupt alle Beiträge dieser Serie lesenswert - sie können alle auf der Seite von
Dr. Moosburger
unter Kapitel 8 [Artikelserie "Qualifizierte Ernährungsberatung" der Deutschen Apotheker Zeitung, 10 Teile] gefunden werden.
Vitamin D und Sarkoidose
(Folgender Text frei nach Calcium and Vitamin D in Sarcoidosis: How to Assess and Manage von Burke et al.)Nachdem man einen Zusammenhang von Vitamin D-Mangel mit der Häufigkeit von Autoimmunerkrankungen festgestellt hatte,
wird seit den frühen 80er-Jahren die Rolle von Vitamin D im Immunsystem untersucht.
Traditionell wurde die empfohlene Tagesdosis an Vitamin D im Hinblick auf die Erhaltung der Knochendichte ausgelegt.
In Anbetracht der immunologischen Nutzen wurden die empfohlenen Tagesdosen allerdings in der letzten Zeit kontinuierlich erhöht.
Die klassische systemische Wirkung von Calcitriol zusammen mit PTH (Hormon der Nebenschilddrüse) ist die Regelung eines nahezu konstanten
Calcium-Spiegels im Blut.
Ungünstiger Weise können auch unsere Sarkoidose-Granulome lokal (also nicht in den Nieren) Calcitriol produzieren.
Diese Produktion unterliegt kaum der Stabilisierung durch den PTH-Regelkreis.
Eine leicht feststellbare Folge sind die bei etlichen Betroffenen erhöhten Werte von Calcium in Urin und Blut.
Die Calcitriolkonzentration im Blut gibt im Wesentlichen auch die Calciumkonzentration im Blut vor.
Bei geringer Calciumzufuhr durch die Nahrung kann das dazu notwendige Calcium auch aus den Knochen mobilisiert worden sein,
was letztendlich zu Osteoporose führt.
Durch die übermäßige Calcitriolsynthetisierung aus Cholecalciferol kommt es zu typischen Szenarien, bei denen der 25-Vitamin D-Pegel erniedrigt,
der 1,25-Calcitriol-Pegel aber normal bis erhöht ist, weshalb die Bestimmung des 'normalen' 25-Vitamin D bei aktiver Sarkoidose
nur beschränkte Aussagen liefert.
Calcitriol wirkt aber auch immunologisch, und ich vermute für uns eher vorteilhaft.
Es gibt starke Hinweise, dass erhöhtes Calcitriol das Einsetzen von rheumatoider Arthritis, Diabetes und anderen Entzündungsszenarien verzögert
indem es die Aktivität der T-Lymphozyten verändert - was sich letztendlich auch auf eine potentielle Belastung durch Mykobakterien positiv
auswirken würde.
Der abnormale, im Serum feststellbare Calciumstoffwechsel tritt aber nur in einer Minderheit der Sarkoidosebetroffenen auf (10% ?) -
vor allem bei eher nicht-akutem Verlauf und Behandlungsnotwendigkeit länger als ein Jahr oder mehreren notwendigen Behandlungsdurchgängen.
Bei diesen Betroffenen führt die INF-γ-induzierte Calcitriol-Produktion nicht zu einer Reduktion der Th1-Entzündung.
Zitiert wird auch eine Empfehlung des American College of Rheumatology, wo Bisphosphonate bei Kortisontherapien
mit > 5mg Prednison pro Tag und länger als 3 Monate empfohlen wird.
Dem folgend wird bei den Autoren eine Bisphosphonate-Therapie gleich zu Beginn einer Kortisontherapie gestartet, unabhängig von
Knochendichtemessungen oder deren Ergebnissen.
Und wie heißt es im Schlußsatz: "... ein diagnostisches und therapeutisches Dilemma ..."
Mein Kommentar
Im Umkehrschluß heißt das aber, dass ein Großteil der Sarkoidosebetroffenen eventuell von einem optimierteren Calcitriolpegel profitieren könnte, auch wenn hohe Calciumpegel schon wegen daraus folgenden Nierenschäden tunlichst zu vermeiden sind.Meine Befindlichkeit, die bisher über Jahre mit Licht und Dunkelheit korreliert, motiviert mich dazu, an diesem Thema dran zu bleiben und vielleicht in der nächsten Wintersaison tätig zu werden.
Ich möchte nicht einmal darüber spekulieren, ob ein Vitamin-D-Mangel eventuell durch die Lebensumstände bei Sarkoidose oder durch die Sarkoidose direkt bedingt ist oder ob ein Vitamin-D-Mangel die Sarkoidose erst am Köcheln hält.
Egal, wodurch der niedrige Vitamin-D-Pegel zustande kommt (sofern ich überhaupt einen erniedrigten habe), an dieser Schraube zu drehen erscheint mir allemal einen Versuch wert.
Durch die enge Bindung des Calcium ans Calcitriol erübrigt sich wahrscheinlich auch die teure 1,25-er Bestimmung (40 Euro ?), wenn das "billig" zu bestimmende Calcium (2 Euro ?) in Ordnung ist.
Oder mit Worten vom verblichenen Großmeister Om Sharma: "Man weiß nicht, ob die Gabe von Vitamin D vor Sarkoidose schützt oder ihren Verlauf beeinflußt. Was man aber weiß, ist, dass ein Vitamin D - Mangel viele Symptome hervorruft, die ebenfalls bei einer systematischen Sarkoidose auftreten. ... es ist darum wichtig, die Vitamin D Pegel bei allen Sarkoidosebetroffenen zu bestimmen und bei Bedarf entsprechend anzuheben."
Update 2013-12-08
Der 25-(OH)-Pegel ist bei praktisch allen Sarkoidose-Betroffenen erniedrigt,
andererseits scheint der Calcitriolpegel nur bei wenigen erniedrigt zu sein (Baughman 2013).
Kann man überhaupt bzw. mit welcher Betroffenheit kann man / welcher Phänotyp kann aus Vitamin-D-Gabe profitieren???
Irgendwie gibts es immer öfter Hinweise, dass auch die 25-Vitamin D3-Form eine Menge physiologischer Effekte hat, nämlich
als Ausgangsbasis für eine ganze Menge anderer Vorgänge.
Unabhängig davon ist und bleibt Osteoporose-Prophylaxe äußerst wichtig.
Kratz, kratz - und was ist jetzt wirklich zu Thun ?
Update 2015-02-17
Aus dem Patientenvortrag beim FSR im Rahmen der AASOG 2014 von Robert Baughman, die take-home message:
- wenn im Verlauf der Sarkoidose bereits erhöhte Calcium-Werte im Blut oder Nierensteine auftraten - dann weder Calcium noch Vitamin D
- andernfalls den Calcitriol-Pegel (1,25) überprüfen
normal: Calcium erlaubt
erniedrigt: Calcium und Vitamin D zuführen.
Unter Umständen ist es auch günstig, selbst bei normalem Calcitriol 1,25 den Pegel des D25 Cholecalciferol bis in das untere Drittel des Normbereiches anzuheben - das scheint seit einigen Jahren die aktuelle Vorgehensweise zu sein.
Update 2017-04-17
Aus dem Vortrag der Rheumatologin
für FSR im Rahmen des amerikanischen Sarcoidosis Awareness Month 2017 in Dallas:
Zitiert wahrscheinlich Robertson et al und meint bestimmt, dass gut versorgte Sarkoidosepatienten supplementiert werden sollten.
Update 2022-04-18
Nach zwei Sarkoidose-der-Lunge-Leitlinien (von ATS und ERS) und einer klinischen Leitlinie (der BTS) wird der aktuelle Stand der Empfehlungen
zur Knochengesundheit im Monograph Sarcoidosis der ERS (2022) ungefähr so zusammengefasst / der Stand oben aus 2015 erweitert:
- Bei abnormalem Ca-Metabolismus (aktuell oder in Vergangenheit) keine Vitamin D / Calcium - Substitution.
- Anfangs auch die Schilddrüsenhormone mitkontrollieren.
- Bei normaler Knochendichte nur Vitamin D zuführen (Calcium aus der Nahrung).
- Unter jeder Vitamin D - Substitution nach 3-6 Monaten BEIDE Vitamin D-Werte kontrollieren.
- Bei reduzierter Knochendichte / Osteoporose sollten Bisphosphonate o.ä. in Betracht gezogen werden. Bei normalem Ca-Matabolismus kann/soll auch Vitamin D und Calcium-Substitution in Betracht gezogen werden.
Lesenswert sind außerdem die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie zum Management der Glukokortikoid-induzierten Osteoporose (2021), die nach einer Korrektur seit 2022/3 bei Sarkoidose zu Vorsicht bei Vitamin D - Substitution raten.
Vorsicht ist hingegen bei der Leitline Osteoporose bei pneumologischen Erkrankungen (2021) aus Österreich angebracht, weil offenbar davon ausgegangen wird, dass Sarkoidose-behandelnde Ärzte wissen, wann sie die Leitlinie entsprechend erweitern oder ignorieren müssen.
Literatur
Ihre Empfehlung : Thus, vitamin D-deficient sarcoidosis patients should be supplemented.
Zeichenerklärung
Artikelsprache ist Englisch.
Artikelsprache ist Deutsch.
Der Text ist frei zugänglich.
Review - Artikel.
Fort- und Weiterbildungsartikel.
Hab bisher nur das Abstract gelesen - wer eine Zusammenfassung dazu hat, immer nur her damit.
(Letzte Änderung: 2022-04-18)