Italic sind Kommentare von mir.
Ich hab mich bemüht, nicht zu viele sowieso bekannte Gemeinplätze festzuhalten - und wenn, dann hab ich sie nur sehr kurz gehalten.
Wenn jemand besser passende Literaturlinks hat - immer nur her damit.
Die Nacherzählung aus 2011 gibt's im Sarkoidose-Forum, und zwar hier.
Sarkoidose - Patientenakademie
anläßlich des
16. Deutschen Lungentags am
HELIOS-Klinikum
in Berlin / Zehlendorf (2013-09-21).
Das Klinikum lädt ein - mit Pausenerfrischung und verschiedenen Vorführungen. Parallel findet auch ein Expertenvortrag zu Lungenfibrose statt.
Dr. Bernd Quadder begrüßt im Namen des Deutschen Sarkoidose Vereins (DSV) die Besucher. Der Hörsaal - ein ehemaliges Schwimmbad - ist ziemlich voll, es werden laufend weitere Sessel aufgestellt. Quadder erzählt über die Entwicklung der Klinikstandorte in Berlin und über den guten Ruf der Lungenklinik Heckeshorn (deren Name mit nach Zehlendorf umgezogen ist) auch in der Sarkoidoseforschung.
Vortragender Dr. Nicolas Schönfeld.
Im Klinikum werden rund 400 Sarkoidseerkrankte stationär und ambulant betreut. Er hebt hervor,
dass Sarkoidosepatienten als auch Sarkoidose-Selbsthilfegruppen zu den am besten Organisierten zählen und dass sie auch sehr am Stand der
Forschung interessiert sind (was wahrscheinlich am Alters- bzw. eigentlich Jugenddurchschnitt der Betroffenen liegt); er erwähnt aber auch
Aufmerksamkeit und Mentalität.
Über neuere Studien des letzten Jahres, mit Schwerpunkt Ursache
Ursachenforschung: Die Nähe des geweblichen Erscheinungsbildes zur Tuberkulose und das gelegentliche Auffinden eines säurefesten Stäbchen-Bakteriums in einem Granulom haben in der Zeit vor der Molekularbiologie zur Spekulationen geführt, dass der Auslöser der Sarkoidose eine Infektion durch ein Mykobakterium (das sind die Tuberkuloseartigen) sein könnte.
In den letzten Jahren geht man allerdings von einer genetischen Disposition
plus Trigger für deren Aktivierung aus, z.B. hat man bei der BAL ein bestimmtes Gen in viel höherem Ausmaß aktiviert gefunden wie bei Vergleichspersonen
(z.B. Arbeiten von Annegret Fischer oder
Kishore/Petrek).
Mit diesem Befund kann man aber augenblicklich noch nicht viel anfangen - die genetische Ursache scheint bei Sarkoidose ähnlich bunt
zusammengesetzt wie das Krankheitsbild selbst. Es läßt sich daraus derzeit weder eine Handlungs- noch eine
Therapieempfehlung ableiten (also keine Screenings usw).
Ethnische Unterschiede - dunkelhäutige Amerikaner - viel schlimmeres Erscheinungsbild.
Derzeit geht man davon aus, dass eine genetische Anlage/Bereitschaft zur Sarkoidose vorhanden sein muss. Das allein ist aber zu wenig.
Dazu muss auch ein Auslöser kommen - aber welcher (oder welche)?
Viele Infektionserreger wurden bisher in Betracht gezogen, aber bei keinem konnte bisher ein Wirkungszusammenhang festgestellt werden.
Gesichert ist, dass manche Werkstoffe wie etwa das Beryllium ein identisches Krankheitsbild auslösen können.
Berylliose ist vom (geweblichen) Erscheinungsbild nicht von Sarkoidose zu unterscheiden (nur durch Bluttest zu unterscheiden
- bei Verdacht angeraten wegen Anerkennung als Berufskrankheit).
Was ist Sarkoidose? Müller-Quernheim hat in einer Übersichtsarbeit einmal gesagt: "Eine Gruppe verwandter Syndrome" (Gruppe = mehrere, verwandt = ähnlicher Entstehungs- und Krankheitsmechanismus, Syndrom = Zusammensetzung verschiedener Erscheinungen, z.B. Löfgren Syndrom = Sprunggelenk, Unterschenkel, Fieber, Speicheldrüsen), die immer in einem granulomatösen Erscheinungsbild münden.
Arbeit genetische Ähnlichkeit der Sarkoidose mit TBC (= Infektionskrankheit mit epithelioidzelliger Granulomatose) im Gegensatz zu anderen Lungenkrankheiten, die keine Granulomatose hervorrufen. Eventuell ein Hinweis auf eine infektiöse Komponente der Sarkoidose, aber augenblicklich nicht mehr.
F: Kann bei aktiver Sarkoidose der Tuberkulintest abgeschwächt sein?
A: Ja, natürlich, sogar in der Regel. Weil sich die Lymphozyten (Abwehrzellen) nicht im Blut oder an der Haut (wo untersucht wird) tummeln
sondern am Ort des Entzündungsgeschehens zu finden sind.
Klinischer Teil: Grundsätzliches über Diagnostik, Therapie, Erscheinungsbild
Keine großen Neuerungen in den letzten Jahren.
Allgemein empfehlen Lungenfachärzte aber wachsam zu sein: wer länger als drei Wochen husten - mal ein Röntgenbild machen lassen.
Nicht mal das EN ist eine Blickdiagnose, weil es auch andere, gleich aussehende Erkrankungen auszuschließen gilt. Z.B. gibt es das EN
auch bei Morbus Crohn. Beim EN gibt's übrigens keine Granulome (im Gegensatz zur Hautsarkoidose), sondern mehr ein
Gefäß-entzündliches Krankheitsbild. Granulome gibt's aber z.B. daneben in verbreiterten Narben. Frische Narben sind sarkoidoseanfälliger
als Alte.
Nägelerscheinungen - selten, mit Bildern.
Seit einiger Zeit ist man auch auf chronisch-entzündliche Nasennebenhöhlen-Probleme als spezielle Manifestition der Sarkoidose aufmerksam geworden
(Kirsten&Kirsten,
Jo Reed et al) -
mit einer vermutlich hohen Dunkelziffer.
Die Erkenntnis setzt sich immer mehr durch, dass Sarkoidosepatienten, die chronisch-entzündliche Beschwerden im Bereich der Nasennebenhöhlen haben,
auch dort viel häufiger als wir bisher gedacht haben eine spezielle Manifestation der Sarkoidose haben.
Wie kommt man zur Diagnose? In 90% der Patienten ist die Lunge das therapieführende Organ, darum meist über Thoraxröntgenbild (beim Vortrag vor zwei Jahren wurde eine Studie zitiert, welche die Lunge in nur 50% der Fälle als therapieführendes Leitorgan auswies).
Stadieneinteilung beschreibt ungefähr auch die Konstellation akut oder chronisch: Stadium (sagt nicht Röntgentyp) 1 (etwa 1/3 der Patienten)
in 90% der Fälle spontan rückbildungsfähig, wird mit einer akuten Erkrankung assoziiert.
Es sind auch Leute gekommen, die keinen Stuhl haben... (was ich zuerst für eine pathologische Beschreibung hielt, war die Aufforderung,
sich einen Sessel zu krallen)
Einfaches Röntgenbild ist meist genug, CT fast immer unnötig.
Im Röntgentyp 3 mit dem Bild eines diffusen Befalls des Lungengewebes ist die Liste der in Frage kommenden Krankheiten lang -
dort ist ein CT zur Diagnose hilfreich (Differentialdiagnose diffuse Lungenkrankheiten).
Wie kommt die Diagnose zustande? Passendes Erscheinungsbild (an Lunge, Haut, Auge, oder wo auch immer) plus nach Möglichkeit
feingeweblichen Nachweis der epithelioidzelligen Granulomatose. Alternative zur Biopsie ist die BAL (Verh. Helfer/Regulierungszellen),
die bei rund 40% der Patienten zu einem eindeutigen Ergebnis führt, seit 80er-Jahre verfügbar.
Mit schonenden Diagnosemethoden (wie BAL) anfangen um Risiken durch die Untersuchung zu minimieren.
Häufiger bemerkte kardiale Sarkoidose. Viele Patienten schildern kleinere Rhytmusstörungen, Herzstolpern, -klopfen kommt oft vor - in nicht so belastenden Situationen, also eher unmotiviert. MRT zeigt eine Entzündung, die man in der Zusammenschau mit der Grunderkrankung als Sarkoidose interpretiert. An dieser Stelle lobt Dr. Schönfeld die Arbeit von Dr. Jeanette Schulz-Menger auf dem Gebiet der Diagnose der kardialen Sarkoidose (z.B. OUES).
Viel, viel schwieriger ist das mit der Neurosarkoidose (siehe auch später). Oft nur Verdachtsdiagnose. Falls Beschwerden zu heftig
ist trotzdem Therapie anzudenken.
Was gibt es an neurologischen Erscheinungsformen? Alles.
Funktionsdiagnostik. Sarkoidose ist nur für manche echt gefährlich, für die überwiegende Zahl der Patienten reduziert sie aber vor allem die Lebensqualität: man fühlt sich abgeschlagen, hustet hin und wieder, man reduziert die gesellschaftlichen Kontakte. Ab und zu tun mal wieder die Gelenke weh - all das ist nicht lebensgefährlich, aber man spürt die Aktivität der Krankheit und es 'zieht einen runter'. All das muss man auch bei einer Therapieentscheidung berücksichtigen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung vor einigen Jahren:
Seltene Krankheite - Die Stiefkinder der Medizin - ein Patientenbericht.
Ganz schwer zu diagnostizieren (eigentlich nur durch Patientenbefragung/Fragebogen), auch z.B. "der tritt doch in der Ergonometrie 200W,
der ist doch gesund".
Inzwischen in der Literatur so gut aufgearbeitet, dass eine Reha mit der Sonderdiagnose "Fatigue-Syndrom" meist kein Problem darstellt.
Viele Patienten trauen ich auch einfach nicht zu sagen, dass sie nicht mehr arbeiten können - auch oder weil man das nicht messen kann.
Oft können auch schon die Milieuänderung und die phys. Therapie auf der Reha einen Umschwung herbeiführen.
Manchmal ist die Betroffenheit aber so schwer, dass man eine Kortisontherapie empfiehlt.
Das Müdigkeitsproblem ist eine Hauptsache, keine Nebensache.
Bei einer Studie mit mehr als 1000 Personen litten 2/3 davon unter Fatigue. Fatigue gleichermaßen auf alle Altersklassen verteilt, also schon krankheitsspezifisch
und nicht nur als altersspezifische Fittnesskurve.
Therapie: Kortison in Tablettenform ist die Basis. Es gibt über kaum ein anderes Medikament seit Jahrzehnten eine so gute Datenlage.
Ein Wandel hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten aber zur Frage ergeben: "wann soll man das Kortison einsetzen?"
Unstrittig ist die Augenbeteilung, auch um Augenhochdruck/einer Glaukombildung vorzubeugen (durch Ablaufstörung der Augenkanäle).
Augenbeteiligung muss immer engagiert therapiert werden, bis die Beschwerden weg sind - also hohe Kortisondosen.
Auch neurologische Erscheinungen sollte man behandeln, sind immer Zeichen einer chronischen Erkrankung, heißt sie gehen in der Regel nicht
von alleine weg.
Herzrhytmusstörungen sind meist harmlos, aber eben nicht immer (und hier ist das Mikrofon wie vor zwei Jahren wieder ausgefallen).
Nierensarkoidose
Anekdote Befall der Schleimhaut am Kehlkopf - Diagnose über viele, viele Umwege; Symptom anhaltende Heiserkeit
Maßgebliche Lungenfunktionseinbuße ist auch ein Grund zur Behandlung (um Vernarbungen zu vermeiden, weil die gehen nimmer weg) - meist wird leider der Unterschied zu vorher nicht beachtet, sondern nur mit allgemeinen Normwerten verglichen.
Calcium im Serum: Zuviel Calcium, das durch den Körper rauscht, wird final über die Nieren ausgeschieden. Therapie um Verknöcherung der Nieren (= nicht umkehrbare Einschränkung der Nierenfunktion) zu verhindern. Calcium im Urin sogar noch besseres Verfahren für Therapieindikation.
Kortison als Mittel der Wahl bei fast alle Patienten wirksam, aber überhaupt nicht beliebt - man liest genug über die Schrecken.
Probleme von vorn herein auch z.b. bei Zuckerkranken.
Alternative: lokale Kortisonanwendung durch Inhalieren. Schlechte Studienlage - Einzelberichte über Verbesserungen, aber keine generelle Empfehlung.
Kortisonbehandlungsdauer derzeit ein Jahr weil man gesehen hat, dass bei 6 Monaten die Rückfallhäufigkeit zu groß ist.
MTX hat mehr/andere Nebenwirkungen. Für andere Medikamente aus Krebs- oder Transplantationsmedizin nur Hinweise und Fallbeispiele,
aber keine großen Studien.
Kreislaufmittel Pentoxyfilin hat auf ganz spezielle Art und Weise entzündungshemmende Wirkung. Ist deshalb eine Alternative zum Kortison, weil es
so wenig Nebenwirkungen hat. Man sagt, dass es vor allem bei den Patienten hilft, die Allgemeinsymptome haben
(Abgeschlagenheit, generalisierte Gelenkbeschwerden).
Dann gibts noch eine Menge anderer Medikamente, aber keinen Durchbruch im Vergleich zum Kortison.
F: Aussagekraft des Interleukinwertes?
A: Gar keiner. Ist so unspezifisch wie die Blutsenkung, völlig unspezifisch, ist bei allen möglichen Erkrankungen erhöht.
Besser ist ACE, weil es relativ spezifisch für die Sarkoidose ist und auch schneller wieder ansteigt.
sIL-2r wurde bei uns nie gemacht, wir sparen das Geld. sIL-2r wurde sehr von Freiburg/Müller-Quernheim propagiert
(z.B. hier).
F: Alternativen zu Kortison?
A: MTX, Aza zwecks zuerst Kortisoneinsparung, dann eventuell sogar -ersatz, jeweils anderes Nebenwirkungsprofil,
Pentoxyphylin nicht bei fortgeschrittener Organsarkoidose.
F: Hausarzt stellt Vitamin D Mangel fest, im Beipackzettel steht: Vorsicht bei Sarkoidose?
A: Wenn Vitamin D - Aufsättigung als notwendig erachtet, dann jedenfalls Ca im Serum und 24h-Urin (dreimal im Jahr?) kontrollieren.
Calcitriol erhöht den Ca-Umsatz, welches dann letztendlich über die Nieren ausgeschieden wird.
Nach Jahren kann es zur Verknöcherung der Nieren mit Funktionsverlust kommen.
F: Wie lange Azathioprin einnehmen?
A: Schlechte Studienlage, nicht oft angewendet. Übliche Vorgangsweise: Ein Jahr die Erkrankung beruhigen, dann Reduktions- und Absetzversuch
von den Standard 150mg auf 100mg auch etwa 50mg.
F: Problem: Arzt hat keine Zeit für Arztgespräch/Patientenaufklärung. (Beifallklatsch)
A: Was soll ich sagen - bekanntes Problem. Bei Erstdiagnose bekommen die Patienten (ebenso wie Jungärzte) als Kompromiss die
Sarkoidose-Einführung des DSV zum Lesen mit, nach dieser Einstiegslektüre kann man über Fragen sprechen.
Bei manchen Patienten läuft es prima, da reicht es, wenn man sich fünf Minuten pro Jahr unterhält.
Bei anderen muss man sich halt länger Zeit nehmen.
F: Vergrößerung der Nebennieren - ausgelöst durch Sarkoidose oder Kortison?
A: Schwer zu raten. Auch bei 2% der Bevölkerung vergrößert; kontrollieren und ab 3cm Durchmesser ist sie fällig.
F: Neurosarkoidose - Infliximab versuchen, wenn Kortison nicht hilft?
A: Da gab es eine große Infliximab-Studie, die aber negativ war.
Trotzdem gibt es genügend erfolgreiche Fallberichte in der Literatur, dass Infliximab helfen kann - also im Zweifelsfall versuchen.
Ist zwar teuer und off label, aber mit nachhaltiger, wissenschaftlicher Begründung,
eventuell mit Unterstützung durch ein großes Zentrum durchaus genehmigungsfähig.
(Ist die Unterstützung durch die Sarkoidosevereine nicht überbordend, auch mal daran denken, andere Mitbetroffene, die schon eine
derartige Therapie bekommen, direkt zu fragen.)
F: Welcher Arzt koordiniert die einzelnen Fachärzte? (Beifallklatsch)
A: Ganz schwierige Frage. Der DSV strebt im politischen Diskussionprozess an,
dass Sarkoidosezentren ausgewiesen werden dürfen, ähnlich wie die Krebszentren.
Braucht ein definiertes, strukturiertes, funktionierendes Netzwerk von Fachabteilungen.
Patienten mit seltenen Lungenkrankheiten haben
teilweise die Möglichkeit, per §116B auch in krankenhausbasierten Zentren ambulant behandelt zu werden - bei der Sarkoidose ist
es noch nicht so weit (bei TBC, Krebserkrankungen, Mukoviszidose usw geht das).
Pause
Überleitung Bernd Quadder.
Sarkoidoseknötchen entstehen im Bindegewebe, die Entzündungsreaktion findet aber im ganzen Körper statt.
Erzählt auch über eine Fazette seiner eigenen Betroffenheit, wo einige neurologische Erscheinungen immer noch keinen Namen haben.
Sarkoidose im peripheren Nervensystem wird kaum beforscht weil schwer nachzuweisen, ebenso wie andere Aspekte rund um die Sarkoidose.
Zu Beginn des Jahrtausends hat eine Gruppe von Ärzten in Maastricht damit begonnen, Symptome zu untersuchen, die bis dahin
in der Literatur kaum beschrieben waren. Damit entstand z.B. die derzeit aktuelle Beschreibung des Fatigue - Syndroms und
Arbeiten zu neurologischen Veränderungen bei Sarkoidose.
Förderung von Forschungsprojekten durch Sarkoidosestiftung (aus Mitgliedsbeiträgen), z.B.
Sarkoidose-Forschungspreis 2012
Neuro-muskuläre Sarkoidose
Über dieses Thema hatte auch schon liesbeth von der Medica 2012 im Sarkoidose-Forum berichtet: Link.Was ich zunächst als unverständliche Fachtermini-Liternei befürchtet hatte, stellte sich im Lauf der Zeit als wahre Fundgrube an Aha-Erlebnissen dar.
Vortragender Dr. Leo Rinnenthal aus der Neuropathologie an der Charite.
Arbeitet in der geweblichen Diagnostik, forscht an Alzheimer, hat im Gegensatz zum geplanten Dr. Werner Stenzel keinen direkten Patientenkontakt.
Muskelbeteiligung in 10-50% (vor ein paar Jahren stand noch <5% in den Aufstellungen über Organbeteiligungen), Schmerz, Muskelschwäche, Atrophie (d.h. der Muskel wird kleiner) - (auch) aufgrund der Schonhaltung durch die anhaltenden Schmerzen; weniger Belastungen, weniger Muskeltraining, ... - weniger Muskel (das gilt natürlich nicht nur für den Bizeps, sondern auch für die Atemmuskelkraft )
Innerhalb des Muskels bildet sich durch die Entzündung Narbengewebe = Granulationsgewebe, Wundheilungsgewebe (hat nix zu tun mit Granulomen),
verändert die gesamte Muskelstruktur.
Bei Bewegung schmerzt der Muskel - nicht nur durch die Entzündung, sondern auch durch das zusätzliche gebildete Gewebe, welches die normale
Muskelkontraktion behindert. Auch die Gelenke können mitbetroffen sein.
Entzündungsgeschehen spielt sich meist im Endomysium (= das Bindegewebe zwischen den feinen Muskelfasern) ab. Bei Betroffenen vermehrt sich dieses
Bindegewebe, führt zur Fibrose und damit ist der Muskel dann weniger beweglich
(in diesem Zustand braucht es noch kein einziges Granulom im Muskel zu geben).
Bild MRT. Muskelbiopsie naturgemäß besser möglich als beim Nerv (bei dem man i.A. keine Probe rausschneiden kann) - neuromuskuläre Sarkoidose ist darum schwer zu untersuchen. Muskelbiopsie 2-3cm lang, bleistiftdick; eine Probe in dünne Scheiben geschnitten wird mit 20-30 verschiedenen Färbereaktionen eingefärbt und einzeln befundet.
Granulombildung bei TBC und Sarkoidose, molekulares Mimikri,
Bild Sarkoidosegranulom im Nervenbündel (zwischen den einzelnen Nervenfasern) - kann Phänomene aller Art hervorrufen.
Zellkommunikation, z.B. über Interferon Gamma, führt auch zur Granulombildung. M2 Makrophagen kannte man im Gegensatz zu M1 Makrophagen lange nicht (haben andere Botenstoffe abgekriegt und verhalten sich dadurch auch anders), ist ein Kontinuum, muss im Gleichgewicht sein. Th1 und Th2 Lymphozyten mit unterschiedlicher Sprache, differenzieren M1 und M2.
Einzigartige Studie, diese Verhältnisse bei der (neuro-)muskulären Sarkoidose zu untersuchen, ist an der Charite gelaufen.
F: Warum heißt es eigentlich immer "neuro-muskulär" - ist das immer in Verbindung?
A: Nein, man hat die Sarkoidose auch oft nur im Muskel.
Der Ausdruck hat vor allem einen historischen Hintergrund: die Befundung der Proben geschieht für beide Gebiete (neuronal/muskulär) in der Neuropathologie.
F: Können auch Muskelkrämpfe durch eine Sarkoidose ausgelöst werden?
A: Kann schon. Typischer Weise haben Krämpfe aber andere Ursachen, oft ionische Verschiebungen.
F: Gibts auch eine isolierte Erkrankung der Skelettmuskulatur?
A: Ja. Andererseits kann auch z.B. die ganze Lunge voller Granulome sein und man merkt nichts davon - und nur ein einziges Granulom bei einem Nerv, und das merkt man.
F: Können eine Polyneuropathie und eine Neurosarkoidose zu ähnlichen Symptomen führen?
A: Schwer zu sagen, keine allgemeine Aussage möglich. Polyneuropathie ist in der Regel symmetrisch, fängt an Finger- oder Fußspitzen an und arbeitet sich dann hoch.
Sarkoidose hingegen präsentiert sich eher als punktförmiges Geschehen.
F: Sportliche Aktivität, z.B. regelmäßigen Ausdauersport - gut?
A: Im Hinblick auf Muskelbetroffenheit, die meist zu evolutionär erfolgreicher Schonhaltung führt und damit in Muskelabbau endet - kann sogar der Einsatz
von Schmerzmitteln sinnvoll sein, um wieder zu Bewegung und Training zu kommen und Abbauerscheinungen entgegen zu wirken - aber immer in Absprache mit dem Arzt.
(Mir kommt dabei immer der Spruch "Use it or loose it" der Physiotherapeuten in den Sinn.)
Meldung aus dem Publikum über äußerst augenscheinliche Befindlichkeitsbesserung (Müdigkeit) durch Vitamin D-Anhebung. Allgemeines Zustimmungsgemurmel auf die Bemerkung hin, dass viel Ärzte um die Vitamin-D-Problematik bei Sarkoidose nicht Bescheid wissen.
F: Wie oft kommt es bei der chronischen Sarkoidose zu einer Fibroisierung?
A: Praktisch immer. Es ist nur die Frage, wie schlimm sie ausfällt. Das ist das gleiche Bild wie bei anderen entzündlichen, chronischen Erkrankungen.
Nachwort Quadder:
Bernd Quadder hebt nochmal die Wichtigkeit des Verstehens des Übergangs von der systemischen Entzündungsreaktion
zur Fibrose mit dem Verlust von Funktionsgewebe hervor weil das die Voraussetzung für das Finden einer Therapie ist.
Weiteres Thema ist die Bedeutung der Anstoßfinanzierung der Sarkoidosestiftung für die Deutsche Forschung und unser aller Zukunftsaussichten.
Halbe Stunde langes Nachwort Quadder und Schönfeld zur aktuellen Versorgungslage und -organisation, Verhandlungen zwischen Kliniken und Versicherungsträgern,
Aktivitäten des DSV zur Förderung der Patienteninteressen.
Als Ergänzung oder für jemand, der einfach lieber einen kurzen Standard-Artikel zu Sarkoidose lesen will: Sarkoidose: ein klinisch orientierter Überblick
Mein Resümee
Was hab ich mir heuer aus Berlin mitgenommen?
So einiges. Eigentlich dachte ich mir, ich wüßte schon so ziemlich alles was man auf derartigen Veranstaltungen erzählt bekommt.
Aber dem ist nicht so. Selbst Ähnliches aus einer anderen Perspektive erzählt führt bei einem Laien wie mir manchmal zu
drastisch anderen Bildern im Kopf.
Pentoxyfilin etwa hatte ich bisher komplett ausgeblendet. Da der Großteil der Patienten, bei denen die Sarkoidose in Remission ist, über Fatigue klagt, ist da vielleicht einiges an ungenütztem Potential vorhanden.
Oder die nachhaltige Darstellung des Entzündungsgeschehens im Körper im zweiten Vortrag. Einfach nur das Bild, dass die systemische Entzündung mehr oder weniger stark permanent im ganzen Körper wirkt, sich aber nur an wenigen Stellen Granulome bilden. Zusammen mit dem Hinweis auf Granulationsgewebe und der Zahl "bis zu 50% Muskelbeteiligung" hat das die allererste Beschreibung von Sarkoidose, mit der ich in Berührung gekommen bin, nämlich mit "man fühlt sich permanent wie mit Grippe", in ein beträchtlich anderes Licht gerückt.
Die oft gängige Praxis, das Nicht-Finden von Granulomen als den Ausschluß eines Sarkoidosebefalls zu interpretieren, scheint mir damit komplett obsolet
(in Who Dies from Sarcoidosis and Why
wird sogar eine eine Transplantation erfordernde Lungenfibrose ohne Granulombildung beschrieben).
Viele Erscheinungen rund um die Sarkoidose laufen komplett ohne Granulombildung ab - ich denke da z.B. an Erythema Nodosum, an die
oben erwähnte Studie zu den NNH (wo eine hohe Dunkelziffer vermutet wird - und hier mutmaße ich: eben weil in der Praxis auch oft kein
Granulomnachweis gelingt)
oder an regelmäßig aufgeblähte Speicheldrüsen, wo ein Granulomnachweis auch sehr unwahrscheinlich ist.
Bei der Neurosarkoidose gibt's im Regelfall auch keinen direkten Granulomnachweis - wer lässt sich schon freiwillig einen Nerv rausschneiden?
Dass mich das Thema immer noch aufwühlt sieht man auch daran, dass die Absätze im Resümee immer länger werden. Dabei wollte ich zum Schluss doch ein anderes Statement abgeben, nämlich ein "Sarkoidosebetroffene aller Regionen, organisiert euch !"... aber dazu später mehr.
Der Dank für den Text gebührt den beiden Doktores, die ich nach Möglichkeit beinahe wörtlich wiedergegeben habe - sie hatten
ihre Vorträge übersichtlich, verständlich und an manchen Stellen auch durchaus unterhaltsam vorgetragen.
Ein dickes Lob verdient natürlich auch Bernd Quadder, ohne den diese Veranstaltung wahrscheinlich nicht zustanden gekommen wäre.
Im Übrigen würde ich gerne mal einen ganzen Tag von ihm vorgetragen bekommen - die bei ihm angesammelte Menge an sarkoidosebezogenem
Wissen zu Geschichte, Medizin, Kliniken, Politik, Beziehungen, Bemühungen, Anekdoten, alles aus verschiedenen Blickwinkeln
(jetzt gehen mir die Vokabel aus) ist wohl ziemlich solitär.
Und natürlich geht der Dank auch noch an Kess, die mir bei der Durchschau etliche Erinnerungen wieder zurechtgerückt hat.